Winterreise nach Kiruna, Lappland

Zu einem der eindrucksvollsten Erlebnisse in Schweden gehört für mich die Reise nach Kiruna, Lappland. Mit einer Gruppe von Mitstudenten war ich dort für ein paar Tage, ungefähr eine Woche vor Weihnachten. Wir hatten den direkten Flug von Stockholm aus genommen, die Fluglinie hieß bezeichnenderweise „Snowflake“. Wer sich dazu entscheidet, in den Wintermonaten nach Lappland zu reisen, weiß worauf er sich einlässt: Kälte, Schnee und Dunkelheit. Wenn ich jedoch eines in meiner Zeit dort gelernt habe, dann dass selbst diese Begriffe relativ sind. Dick eingemummelt in gefütterter Winterjacke, Moonboots, Fleece-Handschuhen und mehreren Lagen von Socken und Pullis habe ich dort in der trockenen Kälte letzten Endes weniger gefroren, als an so manchen feuchtkalten, windigen Herbsttagen an der Küste. Hinzu kam, dass es in Kiruna zur Zeit unseres Aufenthaltes aufgrund einer Wärmeperiode „nur“ minus 15 Grad Celsius waren. Bekannte, die ein paar Wochen vorher dort gewesen waren, berichteten von Temperaturen von minus 30 Grad Celsius.

Dunkel war es auch, genaugenommen gab es nur drei Stunden am Tag Tageslicht. Für jemanden der dort wohnt und dies über einen längeren Zeitraum mitmacht, mag es unangenehm sein. Für uns als Studenten, die dort nur ein paar Tage verbrachten, war es eher ein faszinierendes Naturschauspiel, das unsere innere Uhr durcheinander brachte. Ich erinnere mich an einen Tag, an dem ich in der Jugendherberge aus dem Fenster starrte und den Himmel beobachtete, wie er von völliger Dunkelheit in die immer heller werdende Morgendämmerung überging. Als ich einen prüfenden Blick auf die Uhr warf, war es 11 Uhr vormittags. Bei unseren Ausflügen hatten wir oft das Gefühl, dass die Zeit viel schneller verging als in Wirklichkeit. Nach diversen Besichtigungen fanden wir uns im Stockdunkeln im Freien wieder, die Sonne war gerade untergegangen. Es mussten Stunden vergangen sein, dachten wir. Es war gerade zwei Uhr nachmittags.

Kiruna ist aufgrund all dieser Faktoren ein Klassiker unter den Reisen nach Schweden. Dort ist Schweden noch so magisch und zauberhaft, wie man es sich aus den Weihnachtsbüchern seiner Kindheit vorstellt. Die Häuser der Innenstadt waren um diese Jahreszeit mit Weihnachtsbeleuchtung geschmückt und hell erleuchtet. Dicke Schneeflocken fielen friedlich auf weiße und bunte Holzhäuser. Drinnen schmeckte die heiße Schokolade gleich nochmal so gut.

Wir haben viel unternommen in den paar Tagen, in denen wir dort waren. In Kiruna gibt es eine stillgelegte Grube, die man unter Tage besichtigen kann. In dem nah gelegenen Jukkasjärvi besichtigten wir das „Icehotel“. Ein Gebäude mit Räumen, Möbeln und Skulpturen die komplett aus Eis bestehen. Gleich daneben befand sich das Museum über die Ureinwohner Lapplands, die Samen. Dort ist mir vor allem die süße, geschnitzte Holzwiege für das Samenbaby in Erinnerung geblieben.

Zu den Highlights des Kirunabesuchs zählt ohne Frage eine Fahrt mit dem Hundeschlitten. Vor Ort stellte einem der Veranstalter Schneeanzüge und Fellmützen zur Verfügung. Jeweils zu dritt hintereinander auf einem Schlitten mit einer warmen Rentierfelldecke über den Beinen konnte man sich bequem zurücklehnen. Auf dem hinteren Teil des Schlittens stand der Reiseleiter, lenkte und bremste den Schlitten und gab den Hunden hin und wieder Befehle. Mehr war gar nicht nötig, die Schlittenhunde kannten sich nämlich bestens aus und konnten es gar nicht erwarten, endlich loszulaufen. Bereits bei unserer Ankunft am Treffpunkt machten sie mit lautem Jaulen ungeduldig auf sich aufmerksam. Auf mein gezieltes Nachfragen hin, versicherte mir der Hundeführer, dass er jedem einzelnen Hund auch einen Namen gibt.

Nach der Hälfte der Tour machten wir Rast an einem Zelt. Dort konnten wir uns an einem offenen Feuer aufwärmen und bekamen Tee und Zimtschnecken. Der leckere heiße Tee wurde mir auf der Rückfahrt zum Verhängnis. Meine volle Blase fing auf dem Weg nach Hause unerträglich anfing zu drücken. Erschwerend kam hinzu, dass wir auf der Rückfahrt die Plätze auf dem Schlitten gewechselt hatten. Ich saß nun ganz hinten und meine Freundin lag mit ihrem halben Körpergewicht auf meiner Blase. An dem Ausgangspunkt wieder angekommen, fragte ich den Veranstalter händeringend nach einer Toilette. Klar ein Toilettenhäuschen gäbe es, etwa 50 Meter von hier, sagte er. Ich flitzte wie ein Schlittenhund in die Richtung, in die er gedeutet hatte. Ich öffnete die Tür des Häuschens und hatte dort nochmal mein ganz persönliches Highlight dieser Reise: Die Klobrille bestand aus Styropor, damit man nicht mit dem Hintern festfriert.

Autorin: Beate Scherberich – b.scherberich@gmx.net

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