Warum sind schwedische Frauen so emanzipiert?

© Gerd Altmann/all-silhouettes.com / pixelio.de

Irgendwo in Schweden. Ein Spaziergang im Stadtpark, mitten in der Woche. Die Sonne lacht – und Rentner, Schichtarbeiter, Schüler und Studenten genießen es. Aber irgendetwas passt nicht so ganz ins Bild. Es dauert eine Zeit, bis ich begreife, was es ist. Drüben auf der Bank sitzt eine Gruppe von zwei Männern. Sie necken sich in ihrer typisch männlichen Art, klopfen sich auf die Schultern und lachen fröhlich. Und vor ihnen stehen zwei Kinderwagen. Männer? Zu zweit? Den Nachwuchs dabei? Was für ein exotischer Anblick! Ich gebe zu, so etwas habe ich noch nie zuvor in meinem Leben gesehen.

Schweden gilt weltweit als Vorbild in Sachen Emanzipation. Hier sind nicht nur die Frauen emanzipiert, sondern auch viele Männer. Natürlich gibt es auch hier Frauen, die ein Monopol im Bereich Kindererziehung und Haushalt gebucht haben, im Vergleich zu anderen Ländern ist das aber nicht selbstverständlich. Denn der durchschnittliche schwedische Mann packt gern mit an, kocht oder kümmert sich um seinen Nachwuchs.

Im Global Gap Report 2008 wurde analysiert, wie weit die Gleichstellung der Geschlechter in welchen Land vorangeschritten ist. Schweden schnitt dabei am besten ab.
Hier verdienen Frauen fast genauso viel wie ihre männlichen Kollegen – etwa 93 Prozent davon. Das ist zwar noch immer ungerecht. Im Vergleich dazu bekommt eine Frau bei gleicher Qualifikation und gleicher Arbeitsleistung aber nur 80 Prozent eines männlichen Pendants.
76% aller Schwedinnen sind erwerbsfähig und ganze 80% arbeiten in Vollzeit. Das sind viel mehr als in Deutschland. Auch hier würden die Frauen gern mehr arbeiten, eine Vollzeitstelle haben aber gerade einmal 40% aller Erwerbsfähigen.

Warum hat eine Frau es in Schweden vergleichsweise so gut? Der Grund ist das Wohlfahrtssystem, das sich sehr auf den Schwerpunkt Familien- und Gleichstellungspolitik konzentriert. Während Frauen in den 70er Jahren in Deutschland noch ihre Ehemänner um Erlaubnis bitten mussten, wenn sie arbeiten wollten, war das in Schweden schon Gang und Gebe.
Eine Vorreiterin war unter anderem die Friedensnobelpreisträgerin Alva Myrdal, die bereit in den 30ern ein Konzept für Kindertagesstätten entwarf und damit wesentlichen Einfluss auf die Entwicklung des Wohlfahrtsstaates hatte.

Denn wenn man sich die Frage stellt, warum Frauen beruflich nicht gleichberechtigt sind, kommt man immer auf die Kinder. Wie kann ein Arbeitgeber sich darauf verlassen, dass eine weibliche Mitarbeiterin 100 Prozent im Job gibt, wenn ihr Kind nicht vernünftig untergebracht ist?
Denn ein Kindergartenplatz in Deutschland zu bekommen, ist ein absoluter Glücksfall. Dazu kommt, dass die meisten um 17 Uhr schließen. Wie sollen Pendler und Schichtarbeiter es da schaffen, ihre Kleinen rechtzeitig abzuholen?
In Schweden hingegen hat jedes Kind einen gesetzlichen Anspruch auf einen Betreuungsplatz zum Festpreis. Die Öffnungszeiten sind zudem sehr flexibel. Wenn es anders nicht funktioniert, kann man sein Kind sogar nachts in einen Kindergarten geben.

Die Schwangerschaft einer Frau, die der Staat sich wünscht, ist für die Wirtschaft immer eine Belastung. Denn eine schwangere Frau fällt aus und muss trotzdem weiter bezahlt werden. Aus Sicht eines Arbeitgebers ist es logisch, dass man sich daher lieber für den männlichen Konkurrenten entscheidet oder Frauen aufgrund dieses Risikos von vornherein geringer entlohnt.
Aber auch hier greift das Wohlfahrtssystem. Dass Väter mit ihrem Nachwuchs zuhause bleiben dürfen ist eine Sache. Viel entscheidender ist aber, dass sie zu dieser Verantwortung fast gezwungen werden. Denn wenn Mann nicht mindestens zwei Monate sein Kind betreut, dann entfällt ein gewisser Teil des Elterngeldes.
Für den Arbeiter bedeutet das eine Risikoverteilung. Ob der Mann oder die Frau zuhause bleiben wird und vor allem, wie lange, das kann nicht mehr mit Bestimmtheit vorausgesagt werden.

Und weil man es Frauen damit so einfach wie möglich macht, Kinder und Beruf unter einem Hut zu bringen, wird man auch mit konstant hohen Geburtsquoten belohnt, auf die der Rest Europas neidisch guckt. Eine Schwedin bekommt im Durchschnitt 1,8 Kinder, eine Deutsche nur 1,4%. Dazu kommt, dass die Verteilung ganz anders ist: In Schweden bekommen nicht nur die Sozialschwachen, sondern auch viele Akademikerinnen Kinder.

Es gibt viele Frauen in Führungspositionen und ganze 45% als Abgeordnete im Reichstag. Bedenkt man, dass es auch Mütter gibt, die sich absolut freiwillig und aus Überzeugung für ein Hausfrauendasein entscheiden, sind das rundherum fast perfekte Quoten. Nicht die absolute Gleichstellung, aber man ist auf dem besten Weg, jedem die gleichen Chancen zu bieten.

Das, was Maria Sveland also in ihrem angeblichen Emanzipations-Roman „Bitterfotze“ ( haben wir hier besprochen) gemacht hat, war vor allem eines: Meckern auf ganz hohem Niveau!

Autor(in): Nicole Schmidt – text.assistant@yahoo.de

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