Wohnungssuche in Schweden

Viele Häuser, keine Wohnung, Foto: Tina

Ich habe mich extra fein gemacht, neues Oberteil, dezent geschminkt. Ich habe mir kluge und interessante Fragen ausgedacht, meine schönsten Fotos auf Facebook hochgeladen, um mich möglichst optimal zu präsentieren. Letzte Nacht konnte ich vor Aufregung nicht schlafen. Ich sitze auf der Arbeit, bin total unaufmerksam und hoffe, dass die Zeit bald rumgeht. Um sechs treffen wir uns. Hoffentlich mache ich keinen Fehler, hoffentlich komm ich sympathisch und gleichzeitig verlässlich rüber. Hoffentlich entscheidet er sich für mich und nicht für eine Andere. Er hat definitiv seine Macken, aber er hat, was ich brauche: eine neue Wohnung!

Manches ist besser in Schweden, manches ist schlicht anders. Manches ist schlechter. Wohnungssuche in Stockholm fällt in die letzte Kategorie. Dabei war das ganz anders geplant. Die Mietpreise in Stockholm sind staatlich geregelt. Dadurch soll vermieden werden, dass sich nur noch Millionäre eine Wohnung in der Innenstadt leisten können, und sich sozial Schwache (sprich, Leute mit wenig Geld) in Ghettovierteln sammeln. Theoretisch ein edles Ziel.

Praktisch funktioniert es leider nicht. Weil zwar die Mietpreise festgeschrieben wurden, nicht aber die Kaufpreise, wurde der Wohnungsmarkt praktisch zweigeteilt. Die Kaufpreise erreichen jedes Jahr neue Rekordhöhen. Man muss kein Genie sein, um sich das Ergebnis auszurechnen:  Zu wenig Mietwohnungen! Die Wartezeiten liegen bei 10 Jahren und mehr. Hat man aber so eine Wohnung, einen erste-Hand Vertrag ergattert, mietet man eine erstklassige Wohnung zu einem Spottpreis. Niemand gibt einen erste-Hand Vertrag freiwillig wieder zurück, selbst wenn er seit Jahren woanders arbeitet/mit dem Partner zusammen wohnt etc. Vielleicht geht ja die Beziehung schief, dann steht man ohne Wohnung da. Oder sie geht gut, man bekommt Kinder. Die können dann, wenn sie mal studieren, in dieser Wohnung leben.

Während die Wohnung nicht selbst genutzt wird, wird sie vermietet, das zweite -Hand-mieten, für viele die einzige Möglichkeit, überhaupt an eine Wohnung zu kommen. Sie sind rar und immer zeitlich begrenzt. Die Stadt schreibt auch hier die – oft unter den laufenden Kosten liegenden Mietpreise vor. Vermieten man aber weniger als sechs Monate, gilt die Mietpreisbindung nicht. Folge: die meisten Wohnungen gibt es für vier Monate zu einem sauteuren Preis.

Wo ein Markt so umkämpft ist, sind Betrüger nicht weit. Die Masche ist immer gleich: man bewirbt sich auf eine- meist sehr gut gelegene Wohnung. Als Antwort bekommt man eine Mail in folgendem Stil: „Hallo Tina, deine Mail hat mir sehr gut gefallen. Ich würde dir die Wohnung gern vermieten. Leider lebe ich derzeit in London. Ich komme am xten nach Stockholm. Dann würde ich dir gerne Zeit reservieren. Damit ich sicher sein kann, dass du auch kommst, hätte ich gern, das du mir 500 Euro überweist.“ Überflüssig zu erwähnen, dass man Vermieter und Geld nie wiedersieht.

Wer jetzt sagt, „wie kann man so bescheuert sein, und so was machen“, hier mal eine unvollständige Auswahl von legalen oder fast legalen Sachen, die potentielle Vermieter beim Erstkontakt verlangen:

  • keine Haustiere/Kinder/Raucher
  • nur weibliche/männliche Interessenten
  • nur ein Mieter
  • keine Ausländer
  • Kopie vom Arbeitsvertrag
  • Kontoauszüge
  • Fotos vom Mieter

Wohlgemerkt: nicht bei Abschluss des Mietvertrags, sondern bei Erstkontakt noch vor der Wohnungsbesichtigung!

Einerseits kann man es verstehen. Meistens handelt es sich um die eigene Wohnung des Vermieters. Da wollen die natürlich schon genau wissen, wen sie da in ihre Bude lassen. Aber du musst wirklich virtuell die Hosen runterlassen und bereit sein, für eine Wohnung deine Großeltern zu verticken. Und wenn man da nicht mitmachen will – Pech! Vor der Tür stehen schon zwei neue Interessenten.

Die einzige Möglichkeit, diesem Irrsinn zu umgehen, ist eine Wohnung zu kaufen. Die Bedingungen bei der Bank sind sehr gut, und man zahlt an Raten etwa das Gleiche, wie als Mietpreis. Viele unserer Bekannten haben sich mittlerweile eine eigene Wohnung zugelegt, weil sie es satt hatten, jedes Jahr umzuziehen. Das ist für uns- zumindest vorerst keine Option, Also müssen wir uns mit dem Wahnsinn des zweite-Hand-Wohnens arrangieren. Wohnungen findet man auf den Seiten der kommunalen Genossenschaften, oder auf verschiedenen Internetseiten (siehe unten). Findet man eine der wenigen Anzeigen, bewirbt man sich per Mail oder ruft an.

Ist die Mail raus, wartet man auf Antwort. Keine Antwort ist eine Absage. Hat die Präsentation vor den Augen des Vermieters Gnade gefunden, erreicht man die nächste Stufe: die Wohnungsbesichtigung.

Jetzt ist es Abend. Ich steige aus dem Bus aus, streiche meinen Rock gerade und stehe in einer absolut unbekannten Umgebung (das Schöne am Wohnungssuchen: man lernt ganz neue Ecken in der Stadt kennen). Grün ist es hier. Das Haus, in der die Wohnung liegen soll, präsentiert sich in Beton-mausgrau. Ich steige in den dritten Stock und warte auf den Vermieter.

Gleich die erste Überraschung, er ist eine sie. Freundlich bittet sie mich hinein. Die Wohnungsbesichtigung ist schnell durchgeführt. Physiker haben unrecht. Raum und Fläche sind keinesfalls lineare Größen, nicht, wenn es um Immobilien geht. Unsere aktuelle Wohnung hat ca. 30qm und ist geräumig. Diese hat 30qm und ist winzig. Innerlich hake ich diese Wohnung als ungeeignet ab, auf Höflichkeit (und Neugierde) frage ich, wie viele Interessenten sich denn gemeldet hätten?

  • „350“
  • Ich verschlucke mich an meinem Kaffee
  • „Und wie viele sind in der engeren Auswahl?“
  • Das weiß sie gar nicht so genau, aber heute, am ersten Tag, waren schon sechs Interessenten da.

Auf dem Heimweg bin ich niedergeschlagen. 350 Anfragen, 6 Interessenten am ersten Tag. Ich dachte, wir wären attraktive Kandidaten: Paar Anfang dreißig, beide Vollzeitjob, keine Haustiere, keine Kinder, keine Raucher, keine Schulden. Aber nur eine Großmutter. Und selbst, wenn wir das Paar Ersatzgroßeltern noch drauflegen würden, einer der anderen Interessenten hat sicherlich 3 oder sogar vier vollständige Sätze. Wo bekommen wir so schnell mehr Großmütter her? Dann reiße ich mich zusammen. Bisher ist alles immer noch gut gegangen. Alle unsere Bekannten wissen dass wir suchen und hören sich für uns um. Wir haben uns überall eingetragen. Früher oder später klappt es. Trotzdem gehe ich in die nächste Kirche und zünde eine Kerze an. Es geht um Wohnungssuche in Stockholm. Da kann man ein Wunder gut gebrauchen….

Einige Links für alle Mitleidenden, die auch eine Wohnung suchen:

  • blocket.se : hier findet man die meisten Zweite-Hand-Wohnungen. Die Wohnungen sind gewöhnlich heiß begehrt
  • www.signalisten.se/ Seite der Gemeinde Solna
  • www.forvaltaren.se/ Seite der Gemeinde Sunbyberg
  • www.thelocal.se englischsprachige Webseite mit schwedischen Nachrichten. Wohnungsanzeigen und eigene Anzeigen auf der Pinnwand möglich.

Autorin: Tina Skupin – tskupin32@gmail.com

1 Kommentar

  1. Angelika Sass

    Hej Tina. Tack för information! Jag bor i Tyskland och skulle vilja gärna bo i Blekinge. Om man vill gå på Blocket bostads portal måste man först skaffa en schipsted konto. Jag vet inte hur det ska gå och jag tror att man
    behöver personnummer att ange, och när man vill ha kontakt med hyresvärd på andra sidor måste man betala avgift! Vad är det för något? Jag har ingen betalningsoption via nätet så hur funkar det i Sverige att boka tid för visning?

    Antworten

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