Wasserfall ohne Wasser – Der „Döda Fallet“

Heute einmal ein Beispiel, wie man als Verursacher einer Katastrophe bekannt und berühmt werden kann. Auch wenn der Betroffene hier nur am Rande erwähnt werden soll.

Willkommen am Döda Fallet

Willkommen am Döda Fallet

Fährt man, von Östersund im Jämtland kommend, den Rijksvägen 87 (RV 87) in südöstlicher Richtung, erreicht man unweigerlich das kleine Städtchen Hammarstrand. Dort findet man, neben anderen kleineren Sehenswürdigkeiten, die Statue von „Vildhussen“. Frei übersetzt bedeutet dies „Wilder Huss“. Eigentlich hiess der gute Mann aber Magnus Huss. Und er ist der Verursacher der eingangs erwähnten Katastrophe.

Die Statue von Magnus Huss

Was ist also passiert? Um die Frage zu beantworten, hilft es enorm, die Vorgeschichte zu kennen und zu wissen, zu welcher Zeit sich Alles abgespielt hat. Wir begeben uns zurück in die neunziger Jahre des 18. Jahrhunderts. Zu dieser Zeit gab es noch den Beruf des Flössers. Unbestätigte Gerüchte behaupten, aus diesem Beruf hätte sich später das Surfen entwickelt. Dies ist aber sehr umstritten.

Damals wie Heute war die Holzwirtschaft ein nicht unbedeutender Teil der schwedischen Wirtschaft. Um die Holzstämme schnell zu transportieren, hat man sich natürlicher Ressourcen bedient, den Flüssen. In diesem Fall spielt der Indalsälven die Hauptrolle.

Zu jener Zeit speiste der Indalsälven den Ragundasee. Der Ablauf des Ragundasees war der Gedungsen (auch Storforsen), ein 35 Meter hoher Wasserfall. Die meisten Holzstämme wurden an dieser Stelle durch die Wucht des Wasserfalls wie Streichhölzer zerbrochen. Das war für die Flösser und erst recht für die Kaufleute, die mit dem Holz handelten, ein unhaltbarer Zustand. Ich kann nur vermuten, dass auch der Kaufmann Magnus Huss sein Geld mit dem Holzhandel verdiente. Warum sonst hätte er sich dieser Sache annehmen sollen? Sicher nicht wegen der einhundert Kronen, die man ihm anbot, um eine Lösung zu finden. Auch wenn einhundert Kronen zu der Zeit schon noch etwas mehr wert waren als Heute.

Damals floss westlich des Ragundasees ein kleiner Bach. Huss hatte nun die geniale Idee, eine Verbindung graben zu lassen, die den See mit dem Bach verbinden sollte. Nach dem Öffnen der Rinne würde sich das Wasser aus dem See durch seine natürliche Kraft einen eigenen Kanal am Wasserfall vorbei graben und somit das gefahrlose Flössen möglich sein. Soweit der Plan.

Im Frühling 1796 waren die Arbeiten fast beendet. Die Öffnung der Rinne sollte am 7. Juni stattfinden.

Der ehemalige „Gedungsen“, heute der „Döda Fallet“

Dummerweise begann in jenem Jahr die Schneeschmelze und damit auch der Eisabgang etwas später als in den Jahren zuvor. Wer schon einmal bei einem Eisabgang dabei war, der weiss auch, welche enormen Kräfte dabei wirken, besonders auf Brückenpfeiler oder Staumauern. Die noch bestehende dünne Wand zwischen der neu gegrabenen Rinne und dem Ragundasee wurde jedenfalls in der Nacht vom 6. auf den 7. Juni durch die Eis- und Wassermassen durchbrochen.

Enorme Wassermassen suchten sich ihren Weg durch die neu geschaffene Rinne und verbreiterten diese Rinne dabei immer mehr. Der Indalsälven schuf sich mit einer bis zu 15 Metern hohen Flutwelle einen neuen Weg durch das Ragundatal. Höfe und kleinere Siedlungen wurden weggespült. Der Ragundasee wurde innerhalb weniger Stunden geleert. Der Gedungsen bekam kein Wasser mehr. Sein Rauschen verstummte und er wurde zum „Döda Fallet“, zum „Toten Wasserfall“. Wie durch ein Wunder gab es bei dieser Katastrophe kein einziges Menschenleben zu beklagen.

Die weggespülten Erdmassen schufen das Delta des Indalsälven, etwas nördlich von Sundsvall. Auf einer der Aufspülungen liegt heute der Flughafen der Stadt.

Nicht ganz erschlossen hat sich mir, warum man Magnus Huss nun das Denkmal in Hammarstrand gewidmet hat. War es wegen der Flössbarmachung des Indalsälven oder wegen der gleichzeitig durchgeführten Flurbereinigung? Oder gar als abschreckendes Beispiel?

Sei es, wie es sei. Am damaligen Gedungsen, dem heutigen „Döda Fallet“, etwa 13 Kilometer südöstlich von Hammarstrand am RV 87, findet man ein kleines, aber feines Veranstaltungszentrum für Theater und Musik. Und ein nettes Restaurant.

Die Freilichtbühne am "Döda Fallet"

Die Freilichtbühne am „Döda Fallet“

Die Stelle, an der früher der Gedungsen ins Ragundatal stürzte, ist heute durch Holzstege- und treppen gut zu erkunden. Man erhält ein gutes Gefühl dafür, wie es hier von dem 6. Juni 1796 wohl ausgesehen haben mag. Auch kann man vom Veranstaltungszentrum leicht zum Indalsälven wandern, der an sich schon in seinem gesamten Verlauf eine Erkundung wert ist. Aber dazu mehr in einem anderen Beitrag.

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