Jobsuche in Schweden (1. die Gesamtsituation)

Bewerben ist toll. Selten bekommt man so die Möglichkeit, seine Fähigkeiten und Kenntnisse zu präsentieren. Eine Jobsuche eröffnet neue Möglichkeiten, und das befriedigende Kennenlernen der beiden gleichberechtigten Parteien, dem potentiellen Arbeitgeber und dem potentiellen Arbeitnehmer, endet mit einem von beiden Seiten gefassten Entschluss, die berufliche Zukunft gegebenenfalls zu vereinen. Sowas liest man in diversen Ratgebern, und wer das glaubt, glaubt auch, dass der Mond ein Kanelbulle ist, der jeden Monat von einem Troll namens Milleclas verspeist wird.

Bewerben ist furchtbar! Ich formuliere mich tot in Bewerbungen, hasse es, fremde Leute anzurufen und in Vorstellungsgespräche gehe ich grundsätzlich mit diesem eklig- fiesen-Bauchweh und dem Gefühl, ich wär wieder in der Schule vor der mündlichen Prüfung. Im eigenen Land ist das Bewerben schon schlimm genug. Im Ausland gewinnt es eine ganz neue Klasse des Grauens. Da ist wirklich alles fremd, die Leute sprechen eine andere Sprache, die nicht die deine ist, und alles folgt Regeln, die du nicht kennst. Trotzdem kommt man an diesem Thema nicht vorbei- von irgendetwas muss man schließlich Essen und Miete zahlen. Deswegen wird über das ätzende Thema Jobsuche viel geschrieben, in einschlägigen Foren ist die Arbeitssuche eines der Dauerthemen, und als anständiger Auswanderer informiert man sich natürlich im Vorfeld über die Gepflogenheiten und Unterschiede. Und hab ich sie alle gelesen!?!? Ich las Statistiken der schwedischen Arbetsförmedling, Ratgeber vom Auswärtigen Amt, und dem deutschen und schwedischen Arbeitsamt (s.u.). Da war alles ordentlich drin beschrieben, alles war klar und suggerierte: wenn du alles richtig machst, und alle Regeln beachtest, findest du einen Job.

Dann kam ich nach Schweden und wurde von der Theorie in die Praxis geworfen. Die ersten Wochen in Schweden verbrachte ich damit, von A nach B zu laufen und irgendwie obenauf zu bleiben. In der Theorie der Ratgeber hörte sich das ja alles ganz logisch und einfach an. „Kenntnisse der Landessprache sind essentiell“ – da kann wohl keiner widersprechen, aber ab wann kann man von „beherrschen“ sprechen? Von Verständigung mit Händen und Füßen bis fehler- und akzentfreier Aussprache ist alles möglich. Andere Punkte wurden von den Ratgebern großzügig übergangen. Ich rannte 4 Stunden in strömenden Regen durch die Stockholmer Innenstadt auf der Suche nach Bewerbungsmappen, wurde von Stockholmer Schreibwarenhändlern angesehen als käme ich vom Mond. Bis ich beim Arbeitsamt erfuhr: sowas gibt’s überhaupt nicht in Schweden. Zuerst offensiv, dann zunehmend verzweifelt versuchte ich, alle Regeln zu lernen und alles richtig zu machen. Zur selben Zeit lernte ich Leute kennen, die nach Schweden gekommen waren, ohne einen Plan, ohne Kontakte, ohne Kenntnisse der Landessprache. Und die hatten einen Job gefunden. Es war so unfair! Ich versuchte herauszufinden, was ihr Geheimnis, ihre magische Formel war. Keiner konnte es mir sagen. „Glück“ meinten manche. „Hab da jemanden getroffen gehabt“.

Die Wahrheit ist, es gibt keine Regeln. Keine „tu das, studier das, frag den, und alles wird gut“. Ratgeber sind gut für den Einstieg, um sich einen Überblick zu verschaffen, und ich würde jedem Auswanderungsinteressierten raten, einen oder zwei dieser Heftchen zu studieren. Aber der Weisheit letzter Schluss sind sie nicht. Wie könnten sie auch? Ratgeber zum Arbeitsmarkt und zu Bewerbungen stammen überwiegend von den gräßlichen zwei B´s: Bürokraten und BWLer. BWLer denken, dass alle Menschen auf der Welt so denken wie sie, und Bürokraten…wissen über das praktische Leben etwa so viel wie ein Breitmaulfrösche übers Tapezieren. Ich bin durch so ziemlich jede Variante des schwedischen Arbeitsmarktes gegangen, habe einen Job gefunden und wieder verloren, die unsäglich eintönigen Schulungen des schwedischen Arbeitsamts über mich ergehen lassen. Ich bin einmal um mein Gehalt geprellt worden und habe Nystartsjob und Jobcoach genießen dürfen. Und ja, ich habe einen Job gefunden. Keinen Traumjob, aber ich kann davon leben, habe coole Kollegen und er macht mir Spaß- meistens.

Und nun kommen Leute auf Partys zu mir, und fragen „Wie hast du das gemacht? Was ist der Trick?“ Dabei schauen sie mich an als wär ich Copperfields kleine Schwester und würde gleich anfangen, Kaninchen zu zersägen und Jungfrauen aus dem Hut zu ziehen. Regeln hab ich auch keine. Keine „tu das, und garantiert klappt es dann“. Aber ein paar Hilfen kann ich doch geben. Wo man anfangen kann zu suchen, woran man sich orientieren kann. Was ich weiß, teile ich gern. Ich bin mir sehr wohl darüber im Klaren, dass meine Erfahrungen nicht auf alle Menschen und alle Situationen übertragbar sind. Was für einen Banker goldrichtig ist, kann für einen Maurer falsch und für einen Friseur katastrophal sein. Sicherlich wird nicht jeder mit allem etwas anfangen können, und ich lade jeden gerne ein, Sachen auszuprobieren und sie wenn es nicht funktioniert auch wieder sein zu lassen. An dieser Stelle erst mal einige Literaturempfehlungen, hauptsächlich die Werke der B´s, die auch wenn sie nicht optimal vorbereiten, einige wertvolle Zahlen enthalten, und einen guten Einstieg geben.

PS: ich möchte nicht behaupten, dass ich der unglaubliche Experte in der Thematik bin, aber was ich dazu schreiben will, ist doch zu viel für einen Post (wer will schon einen 10.000 Worte Artikel lesen). Deswegen diesmal die Einführung. Nächstes Mal geht’s dann um „Arbeitssuche in Schweden- wie finde ich offene Stellen“.

PPS: Ich bedaure, dass ich mich in diesem Artikel zu Verallgemeinerungen habe hinreißen lassen, und möchte mich bei allen Bürokraten, BWLern und Breitmaulfröschen entschuldigen.

2.Teil: Die Suche beginnt

3.Teil: Bewerbungen Schreiben

4.Teil: Vorstellungsgespräch

 

Autorin: Tina Skupin – tskupin32@gmail.com

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