Familie Schimke: Auswandern an den Polarkreis

Logo der Vox-Dokusoap „Goodbye Deutschland“

Der ein oder andere beschwert sich ja immer mal wieder gern, dass die Qualität der Fernsehsendungen ständig weiter abnimmt. Die derzeit so beliebten Dokusoaps wie etwa „Goodbye Deutschland“ sind da für viele Zuschauer das höchste der Gefühle, muss man sich dort doch erst mit ansehen, wie Leute Deutschland mit einer kaum zu fassenden Arroganz beschimpfen, um dann im neuen Land kläglich zu scheitern. Es ist zum Fremdschämen!

Der Fairness halber muss man aber auch sagen, dass es auch Familien gibt, die dabei angenehm aus der Masse hervorstechen, weil sie die Dinge realistisch betrachten. Weil sie einen ganz bestimmten Grund haben, in ein anderes Land zu ziehen, und nicht nur allgemein unzufrieden sind. Und weil sie das beste Beispiel dafür sind, dass man es nirgendwo schafft, wenn man es in Deutschland nicht schaffen kann. Da wäre zum einen die Kultfamilie Reimann, die mittlerweile sicher jeder kennt, aber auch die Familie Schimke aus Schweden. Kann sich noch jemand an sie erinnern?

2006 haben sich Thomas und Eva Schimke dazu entschlossen, gemeinsam mit ihrer Tochter Leonie auszuwandern. Da sie weiteren Nachwuchs erwartet haben, verspürten sie mehr und mehr den Wunsch, mehr Zeit für ihr gemeinsames Familienleben zu haben.
Das war für Vater Thomas, der als Arzt arbeitete, so gut wie unmöglich. Ständig musste er unbezahlte Überstunden leisten, sodass er auf eine Arbeitszeit von insgesamt 100 Wochenstunden kam. Das Angebot, das er aus Schweden bekam, kam da gerade recht: Dort sollte er nur jeweils die Hälfte der Zeit arbeiten müssen und dafür das Doppelte verdienen.

Wo ist der Haken, mag man sich da fragen. Und tatsächlich, wenn man so will, dann gab es auch einen. Denn es ging nicht nur um Schweden, sondern um eine der nördlichsten Region. Die Familie sollte an den Polarkreis ziehen – in die absolute Einöde, oder kurz: An den Arsch der Welt.

Aber sie haben es gewagt und sind nach Pajala in Lappland ausgewandert. Dort erwartete sie nicht nur eine neue Kultur und eine neue Sprache, sondern auch extreme Lebensbedingungen. Der Schnee fällt schon ab September. Im Winter geht die Sonne kaum noch auf und Temperaturen bis -40°C sind keine Seltenheit. Die kurzen Sommer bringen mit ihren tageshellen Nächten dann die auf Dunkelheit eingestellten Körper um den Schlaf. Familie und Freunde sind viele Flugstunden entfernt. Um einen größeren Einkauf zu erledigen, muss man über 200 Kilometer Autofahrt auf sich nehmen – was bei Schnee und Eis nur wenig Spaß macht. Und wirklich viel los ist in ihrem kleinen Örtchen auch nicht.

Bereut haben sie ihre Entscheidung aber bis heute nicht. Töchterchen Leonie hat die Sprache sofort gelernt und konnte sich perfekt integrieren. Ihre kleinere Schwester Ida ist als waschechte Schwedin geboren, wenn man so viel. Sie hat eher damit Probleme, die deutsche Sprache zu lernen. Vater Thomas muss zwar trotzdem hin und wieder noch Überstunden schieben, dafür bekommt er diese zumindest bezahlt. Seine Frau Eva ist dabei die meiste Zeit bei ihm. Denn auch sie arbeitet in dem kleinen Gesundheitszentrum – als Röntgenassistentin. Ihre Freizeit verbringen sie gern mit ihren schwedischen Freunden, denn sie haben auch recht schnell Anschluss bei der Leuten gefunden, die sonst eigentlich als zurückhaltend und kühl gelten.

Verstehen können nur wenige Einwohner, was eine Familie nach Deutschland zu ihnen ans Ende der Welt treibt. Aber Familie Schimke sieht die ganze Sache abenteuerlich. Dunkle und kalte Winter verbringen sie gern in ihren beheizten Holzpool vor dem Haus oder fahren mit Schneemobil durch die Gegend.
Neben der Zeit, die sie gewonnen haben, verdienen sie jetzt auch mehr Geld und können in einem chicen Eigenheim leben, das zum Schnäppchenpreis von nur 55.000 Euro zu haben war.

Außerdem ist ihre neue Heimat das absolute Kinderparadies, betont Mutter Eva. Die Kleinen werden nicht als Anhängsel betrachtet, sondern sind überall willkommen. Sie können jederzeit in den Häusern der anderen Familien ein- und ausmarschieren, als wäre es ihr eigenes Zuhause und finden immer jemanden, der sich mit ihnen beschäftigt.

Die Familie wusste von Anfang an, dass es nirgendwo ein Paradies gibt und dass einem die Braten nicht einfach so in den Mund fliegen. Vielleicht ist das auch der Grund, warum sie jetzt so glücklich und zufrieden sind. Sie haben sich in ihrer neuen Heimat eingelebt und den deutschen Fernsehzuschauern gezeigt, dass das, was viele predigen, dass man es überall schaffen kann, tatsächlich funktioniert. Aber nur mit der richtigen Einstellung!

 

Autorin: Nicole Schmidt – text.assistant@yahoo.de

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