Schwedische Kaffee-(Un-)Kultur

Foto: Wikipedia Commons

Klassifizierte man Länder nach ihrer Kaffeekultur, Schweden nähme einen der untersten Plätze ein. Schon wenige Kilometer außerhalb der (beiden) großen Städten erntet man bei Bestellung eines „Cappuccino“ oder gar „Latte Macchiatos“ befremdliche Blicke und wird gebeten, Schwedisch oder zumindest Englisch zu sprechen. Oder das Lokal zu verlassen.

Schwedischer Kaffee-, nun –genuss wäre ein unangebrachter Euphemismus, also lieber –konsum bedeutet eine unfreiwillige Zeitreise rückwärts, an den mit Blümchendecke und Sonntagsgeschirr gedeckten, verwandtenumrundeten Tisch bei Omma und: Brühkaffee.

Den allerdings in Massen. Kaffee wird in Schweden ständig und überall getrunken, zum Frühstück, nach dem Essen, an der Tankstelle, bei jeder Fika sowieso, vor dem Schlafengehen, beim Picknick, in der Pause. Bei jedem auswärtigen Essen, sei es früh, Mittag oder Abend ist Kaffee obligatorisch dabei, sprich im Preis enthalten, inklusive unbeschränktem Refill. Aber wer will schon refillen, wenn der Gaumen bereits nach dem ersten Schluck „Bitte nicht!“, schreit? Nun, die koffeinverwöhnten Synapsen wollen, auf Turkey trinkt der Junky auch Brühkaffee, nach dem Motto: besser Metadon als gar nix.

Dabei gibt es in Schweden noch eine andere Art des Kaffees: Kokkaffe. Kochkaffee schmeckt tatsächlich ganz hervorragend, was wahrscheinlich weniger am Geschmack selbst als am Ritual seiner Zubereitung liegt. Grob gemahlener Kaffee wird zusammen mit dem Wasser in der Kanne aufgekocht (ob man den Kaffee ins kalte Wasser oder erst hinein schüttet, wenn selbiges kocht, darüber herrscht natürlich vortreffliche Uneinigkeit), dabei auf keinen Fall umrühren, das einmalige (!) Aufkochen reicht, schließlich ein Weilchen stehen lassen, bis das Pulver zum Kannengrund gesunken ist. Vom Coffee to go ist das natürlich meilenweit entfernt. Ordentlicher Kochkaffee braucht Zeit, die man hier, auf dem Land bzw. im Norden, wo der Kochkaffee (noch) zu hause ist, aber im Überfluss hat. Außerdem: Je länger es dauert, desto größer die Vorfreude.

Zuhause am Elektroherd macht das natürlich nicht so viel Spaß wie draußen in der Natur, am offenen Feuer, in einer, schon vom Uropa benutzten, rußgeschwärzten, einzig diesem Zweck dienenden Kanne. Dazu ein selbst gebackenes Kaffebröd und ein paar Mückenstiche, schon ist man einen Schritt weiter auf dem Weg zum Schweden.

Autorin: Silke Gersdorf – silke.gersdorf@web.de

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