Meisterhafte Ansichten – Lübeck zeigt Werke des schwedischen Malers Anders Zorn

Anders Zorn: Sommervergnügen, 1886, Aquarell, 30,2 x 18,8 cm (Zornmuseet, Mora)

Es ist dieses Wasser. Und das Licht. Wie hier das bewegte Spiel von Wasser und Licht im stillen Medium der Malerei dargestellt wird, kann mit Fug als Erkennungszeichen des schwedischen Malers Anders Zorn (1860–1920) gelten, dem das Lübecker Museum Behnhaus Drägerhaus zur Zeit eine Werkschau widmet. Über mehrere Räume und Ebenen verteilt, wird – in meist thematischer Anordnung – ein Einblick in alle Facetten dieses Meisters der skandinavischen Malerei gegeben, der so nach mehr als zwanzig Jahren wieder in einem deutschen Museum präsent ist. Vielleicht regt die Ausstellung ja dazu an, beim nächsten Schwedenurlaub einen Abstecher an den Siljan zu machen, in die Heimat des Künstlers, dessen Geburtstag sich heute, am 18. Februar, zum 152. Mal jährt. – Gratulation!

Untrennbar ist Zorns Name mit der Kleinstadt Mora in der Provinz Dalarna verbunden: Hier wurde er geboren, hier liegt er begraben, und hier kümmert sich heute das ‚Zornmuseet’ samt Blumengarten und Freilichtmuseum um sein Andenken. Schon als Akademiestudent in Stockholm hatte Zorn 1880 einen prägenden Erfolg, als sein Aquarell „In Trauer“ (das auch in Lübeck zu sehen ist) bei der Jahresausstellung der Studenten gezeigt wurde. Im Jahr darauf brach er, nach einem Zerwürfnis mit seinen Lehrern, die Ausbildung ab – eine antiakademische Attitüde, die Zorn, neben anderem, mit der impressionistischen Bewegung verbindet. Auch die Verlegung des Malortes vom Studio in die Natur (pleinair) und die Verschiebung der Aufmerksamkeit von der realistischen Wiedergabe zur visuellen Erscheinungsweise eines Motivs kennzeichnet den Impressionismus und stellte damals eine Abkehr vom künstlerisch Üblichen dar, die vielfach als skandalös empfunden wurde. Auch Zorn hat das erlebt; seine technische Perfektion, sein Fleiß und auch sein Geschäftssinn haben ihm aber schnell (und nicht nur in Skandinavien) eine Popularität verschafft, die sich mit der seines Freundes Max Liebermann (1847–1935) in Deutschland messen kann.

Anders Zorn: Kyrkviken bei Lidingö, 1883, Aquarell u. Gouache, 35,4, x 25,2 cm (Zornmuseet, Mora)

Viele Kontakte und Reisen, aber auch die Liebe zu Schweden, wohin er stets zurückkehrte, spiegeln sich in Zorns Werk, das v. a. aus Aquarellen, Ölgemälden (seit den „Fischern in St. Ives“, 1887) und Radierungen (z.B. in den Pariser Jahren ab 1888) besteht. Immer wiederkehrend sind scheinbar flüchtige, aber streng komponierte Landschaftseindrücke aus (fast) aller Welt, volkstümliche Szenen aus Schweden, eine große Menge exakter und dabei fast lässig wirkender Personenporträts – Zorns Auftraggeber waren z.T. reiche Industrielle und selbst Politiker von Rang, bis hin zu US-Präsidenten – sowie Akte in vielen Variationen. Von diesen zeigt die Ausstellung u.a. das zentrale Werk „Eine Premiere“ (1888), von dem sich Zorn später mit brachialen Mitteln distanzierte; die zerstückelte Leinwand konnte gerettet und wieder zusammengesetzt werden und ist mit allen Narben in Lübeck zu besichtigen. – Gezeigt wird schließlich der Grafiker Anders Zorn, der es im Lauf seiner Karriere auf 290 Radierungen gebracht hat, die nicht zuletzt bei deutschen Sammlern begehrt waren. Auch das Radieren hat Zorn, ausgehend vom Vorbild Rembrandt, bestens beherrscht und auf kaum verwechselbare Weise betrieben. Charakteristisch ist sein Erzeugen von Konturen allein durch verschieden starke und unterschiedlich ausgerichtete Schraffierungen (beispielhaft im „Rosita Mauri“-Porträt von 1889), was zu verblüffenden Licht-/Schatteneffekten führt und den Betrachter unwillkürlich zur Einnahme wechselnder Positionen verführt. Auch dies war seinerzeit eine neue und für einen konservativen Kunstgeschmack z.T. schwer annehmbare Herausforderung.

Heute ist der Künstler Anders Zorn längst als moderner Klassiker etabliert. Das Zeug zum Klassischen hat aber nur, was eine mehrfache Rezeption nicht nur erfordert, sondern auch lohnt und aushält. All das bietet die schöne Ausstellung mit dem schlichten Titel „Der schwedische Impressionist Anders Zorn (1860–1920“), die noch bis zum 15.4.2012 in Lübeck zu sehen ist. (www.museum-behnhaus-draegerhaus.de)

Autor(in): Frank – fsommerkamp@gmx.de

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