Mein Auslandssemester in Lund und Malmö

Höstterminen i Skåne – mein Auslandssemester

ERASMUS EuRopean(Community) Action Scheme for the Mobility of UniversityStudents ist das bekannteste Studienprogramm der Europäischen Union und laut der Europäischen Kommission für  Education & Training das erfolgreichste der Welt.

Gefördert werden Studenten und wissenschaftliches Personal auf ihrem Aufenthalt an Hochschulen im europäischen Ausland. Die Förderung enthält einen Mobilitätszuschuss der EU, Sprachkurse und intensive Betreuung vor Ort. Am Austauschprogramm teil nehmen die siebenundzwanzig EU-Mitgliedsstaaten sowie Kroatien, Liechtenstein, Island, Norwegen, die Türkei und (seit 2011) die Schweiz.

ERASMUS ist so beliebt wie erfolgreich. Im noch laufenden Studienjahr 2010/2011 werden es insgesamt etwa 230 000 Studenten sein, die sich in ein anderes Land aufmachen um die Sprache zu lernen, interkulturelle Kompetenzen zu erwerben und ihre Erfahrungen in der Heimat zu nutzen und weiterzugeben. Tendenz steigend.

Die beliebtesten Zielländer der ERASMUS-Teilnehmer sind Spanien, Frankreich, Deutschland, Großbritannien und Italien. Die meisten Teilnehmer sind Studierende der Sozialwissenschaften, der Wirtschafts- und Rechtswissenschaften und der Geisteswissenschaften. Über 60 % der Studierenden sind Frauen.

Im Wintersemester des Studienjahrs 2008/09 habe ich im schwedischen Lund ein Auslandssemester absolviert. Hier ein kurzer Erfahrungsbericht- und eine persönliche Empfehlung.

 Ich bin der durchschnittliche ERASMUS-Student: weiblich, unter Dreißig, Geisteswissenschaftlerin. Drei Semester lang habe ich an der Universität Erlangen-Nürnberg schwedische Sprachkurse besucht und nun ist es an der Zeit, Land und Leute kennenzulernen. Im Vordergrund stehen Hunger nach Erfahrung und der Wunsch, die eigenen Sprachkenntnisse vor Ort zu verfeinern.

Dem Rat meines Professors folgend, entscheide ich mich für Lunds Universitet in Skåne. Im August 2008 packe ich einen großen Trolley mit Outdoor-Kleidung, Neutrogena-Creme und Büchern und mache mich auf in den Norden.

 Lund und Malmö – ein ungleiches Paar

 Der direkteste Weg nach Schweden ist von Deutschland aus der mit dem Flugzeug. Das sehe ich auch so, aber ich leide unter panischer Flugangst. Schon auf der Website von Germanwings fange ich an zu schwitzen…  zu viele zu realistische Filme gesehen! Für den Preis eines dreistündigen Fluges bekommt man bei der Deutschen Bahn ein Ticket für den Nachtexpress von Nürnberg nach Kopenhagen. Von dort aus fährt man über den Öresund und ist in 30 Minuten in Malmö. Es wird eine zwölfstündige Reise durch zwei schlafende, erwachende Länder im goldenen Licht des Frühherbsts. Sehr empfehlenswert, auch für Nicht-Aviophobiker.

Studiert habe ich in Lund, gewohnt habe ich aber im rund zwanzig Kilometer entfernten Malmö. Problemlos möglich durch eine Zugverbindung, von der ein gestresster DB-Pendler nur träumen kann – stets pünktlich und im Zehn-Minuten-Takt.

Direkt in Lund ein Zimmer zu finden, hat sich als schwierig bis unmöglich erwiesen. Zu Semesterbeginn überfluten Studienanfänger die kleine Stadt, und die Wohnungsnot ist groß. Jugendherbergen und Hotels sind im Nu überfüllt. Studienanfänger campieren im Freien in der Hoffnung, bald ein Zimmer zu finden. Andere reisen gar wieder ab.

Ich habe Glück und finde über eine Freundin ein Zimmer in Malmö, das von einer alleinstehenden Frau vermietet wird. Wie es der Zufall will, spricht Marie Deutsch und will ihre Sprachkenntnisse auffrischen.

Hier mein Tipp für Austauschstudenten: Multikulturelle WGs in Studentenwohnheimen enthalten in der Regel wenig Schweden, die „Verkehrssprache“ dort ist Englisch. Schwedisch lernt man dort leider nicht.

Lund ist eine freundliche alte Dame, die ihre Gäste mit offenen Armen willkommen heißt. Mit seiner über 1000jährigen Geschichte ist Lund eine der schönsten Städte Schwedens. Das historische Stadtbild und sein pulsierendes kulturelles (Studenten-)Leben erinnern an altehrwürdige Universitätsstädte wie Heidelberg und Nürnberg. Über der malerischen Altstadt erhebt sich die Domkyrkan, eine Kathedrale aus dem 12. Jhdt. und das wohl markanteste Merkmal Lunds. In unmittelbarer Nähe befinden sich auch die einzelnen Departments der Universität, nur eine kurze Fahrradstrecke voneinander entfernt.

Lund ist eine richtige Flanierstadt. Wer an Natur und Kultur gleichermaßen interessiert ist, kommt hier auf seine Kosten. Da wären Lunds konsthall, ein Museum für zeitgenössische Kunst; Lunds Universitets Historiska Museum oder das Kulturen, ein Freilichtmuseum.
Besonders reizvoll ist (auch im Winter) Lunds botanischer Garten. Zwischen den Sehenswürdigkeiten verstreut gibt es kleine Bäckereien, Restaurants und Cafés für die Einkehr nach dem Bummeln oder den Veranstaltungen an der Uni.

Malmö ist das Bindeglied zwischen Schweden und Dänemark. Über die Öresundbrücke gelangt man in einer knappen halben Stunde nach Kopenhagen. Vielen Südschweden ermöglicht diese Verbindung eine Arbeitsstelle in Dänemark. Ein Umstand, der die fortwährend große Arbeitslosigkeit in der Region etwas gemindert hat.

Malmö ist mit ca. 300 000 Einwohnern nach Stockholm und Göteborg die drittgrößte Stadt Schwedens und liegt direkt am Meer. Das Klima an der Küste ist zwar nicht so extrem wie im Norden, aber dafür weht beständig ein eisiger, feuchter Wind. Keinen einzigen wundstillen Tag habe ich in Malmö erlebt!

Berühmt ist Malmö für seine Fachwerkhäuser aus dem 17. Jahrhundert, die den historischen Stortorget und Lillatorget schmücken. Und da wäre auch noch der Ruf als Einkaufsstadt, den Malmö zu Recht trägt. Für mich sollte es sich als Vorteil erweisen, dass es im Zug keine Gepäckbeschränkungen gibt…

 Studentenleben

 Als ERASMUS-Student besuche ich an der ausländischen Hochschule unterschiedliche Veranstaltungen, um eine bestimmte Anzahl an ECTS-Punkten zu erreichen. Eine dieser Veranstaltungen ist ein schwedischer Intensivkurs und ein Kurs in Sprach- und Literaturwissenschaft. So wie in Schweden das semester die Semesterferien und der termin die Vorlesungszeit ist, so ist ein schwedischer kurs keine wöchentlich stattfindende Lehrveranstaltung von eineinhalb Stunden. Der Kurs in schwedischer Literaturwissenschaft findet täglich von Montag bis Freitag statt und ist über drei Stunden lang – Präsentationsrunden nicht mit eingeschlossen. In diesem einen Kurs habe ich mehr gelernt als in einem Semester an meiner Heimatuni.

Besonders reizend sind meine Kommilitonen. Als sie erfahren dass ich Ausländerin bin, werde ich wie ein rohes Ei behandelt. Sehr viele Austauschstudenten, erzählt man mir, gäbe es hier nicht. Wieso? Ich habe keine Ahnung.

Am Ende des höstterminen beginnen dreimonatige Semesterferien, die meine Mitstudenten nutzen um Praktika zu machen und Geld zu verdienen.

Das Studentenleben ist – typisch schwedisch. Niemand sondert sich ab und niemand bleibt ohne soziale Kontakte. Wer in Schweden einen Studentenausweis und die damit verbundenen Vorteile genießen möchte, muss Mitglied in einer so genannten nation sein. Eine nation ist in der Regel ein Verbund von Studenten aus einem bestimmten Landesteil. Die Verbindungen tragen Namen wie Göteborgs Nation oder Smålands Nation. Gewohnt wird im jeweiligen „Verbindungshaus“.
Die Nationen nehmen aktiven Einfluss auf das Universitätsleben und gestalten es mit. Alle sozialen Aktivitäten der Studierenden finden über die Nationen statt, und da es keine Mensen gibt, trifft man sich in den nations, um günstig essen zu können. Wer möchte, kann sich innerhalb der Nationen über einzelne Clubs oder das von der Nation betriebene Restaurant engagieren. Und unnötig zu erwähnen dass sich der Gaststudent über keinen
Mangel an Aufmerksamkeit – und Bier beklagen kann.

 Tücken des Alltags und… Heimweh?

Ein Arzttermin bedeutet in Schweden schon mal stundenlanges Ausharren in einem Wartezimmer. Wer nicht in die Notaufnahme muss, meldet sich in der vårdcentral, zieht die obligatorische Nummer und wartet brav auf den Arzt. Schwedentypisch geduldig und ohne zu klagen.

Ich hatte das Vergnügen, diesen Service wegen einer hartnäckigen Grippe beanspruchen zu müssen. Schwedische Mediziner haben einen hervorragenden Ruf – wenn man nur so einfach an sie herankäme. Ich habe mich nach dieser Erfahrung auf jeden Fall nie wieder über eine halbe Stunde Wartezeit beim deutschen Hausarzt beschwert.

Nur Weniges ist für den (deutschen) Auslandsstudenten in Schweden wirklich problematisch. So scheint es. Trotzdem kommen nicht alle mit dem Gastland zurecht, in dem die meisten immerhin „nur“ knappe sechs Monate bleiben. Deutsche Kommilitonen lassen sich von zuhause Brotbackmischungen nach Schweden schicken, weil man im Supermarkt das ungesüßte Brot „einfach nicht finden“ konnte. Und dass man auch ungesalzene Butter kaufen kann, scheint auch nicht jedermann zu bemerken.

Über die Weihnachtstage sind fast alle meiner deutschen ERASMUS-Kollegen nach Hause gereist. Die Sehnsucht war wohl zu groß. Ich hatte ein fantastisches Weihnachtsfest mit meiner Mitbewohnerin Maria und ihrer Familie, Weihnachtsbuffet und eimerweise Sahnemilchreis mit Fruchtsuppe inklusive.
Wer die Gelegenheit hat, mit einer schwedischen Familie die Feiertage verbringen zu können, sollte sich das auf keinen Fall entgehen lassen. Ich werde all jene die ich dort kennen gelernt habe, sehr vermissen. Zum Glück gibt es technische Segnungen wie SKYPE.

Zu guter Letzt eine Frage: Was habe ich aus diesen sechs Monaten in Schweden mitgenommen? Sprachkenntnisse, Wissen über Land und Leute. Und das gute Gefühl, dass das noch lange nicht genug war. Und dass man wiederkommt. Sei es als Tourist, als Gast, oder als Berufstätiger. Oder sogar, um Schwede zu werden. Man kann nie wissen.

 

 

A.N.

Autor(in): Susanne Niederleitner – S.Niederleitner@yahoo.com

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