Jobbcoach

Ich scheine so ziemlich der einzige Mensch zu sein, der positive Erfahrungen mit der Arbetsförmedling, der schwedischen Version des Arbeitsamts, gemacht hat. Der Grund lautet- niedrige Erwartungen. Eigentlich erwartete ich gar nichts von denen. Was ich bekam?

  • drei Monate Arbeitslosengeld mit dem Formular E303
  • eine Mitarbeiterin empfahl mir die Suchseite Workey.se
  • ich durfte einmal dort auf Toilette gehen
  • ich bekam für drei Monate einen Jobcoach an die Seite gestellt.

Während ich das Geld gut gebrauchen konnte, und Workey oft und gern nutze, am meisten profitierte ich von dem Jobcoach.

Ein Jobcoach ist eine Art Personal Trainer für die Jobsuche. Mehr noch als in Deutschland ist die schwedische Arbetsförmedling für die Verwaltung von Arbeitslosen zuständig, und nicht für aktive Hilfe bei der Arbeitssuche. Hierfür wurde der Jobcoach eingeführt. Will man einen Jobbcoach in Anspruch nehmen, muss man bestimmte Eingangsvoraussetzungen erfüllen, z.B. Eine bestimmte Zeit als Arbeitssuchend in Schweden gemeldet sein. Dann bekommt man den Antrag und eine lange Liste der Jobbcoachs. Der Begriff scheint nicht geschützt zu sein, jeder kann sich nach einer Zusatzausbildung Jobcoach nennen. Und Junge, was es da für Unterschiede gibt!

Tina sucht den Supercoach

Einen- zugegeben sehr amüsanten Nachmittag lang klickte ich mich durch hunderte von Angeboten. Firmenberater, Aromatherapeuten, Zeitarbeitsfirmen, sie alle boten Coaching an. Die extrem Esoterischen schob ich gleich beiseite. Obwohl ich Neuem gegenüber immer aufgeschlossen bin, ich brauchte jemand, der Ordnung in meinen Lebenslauf und meine Bewerbungen brachte, und mir half, mich zu strukturieren, und nicht jemanden der mein „Seelentier“ herausfindet (Nilpferd). Die mit einer schlecht gemachten Webseite flogen auch raus. Jobsuche ist immer noch sich verkaufen, und wer sich so schlecht darstellte, war wohl auch im Beraten anderer nicht geeignet. Dann prüfte ich das „Angebot“, wer in meiner Sparte Erfahrung hat, und was angeboten wurde. Schließlich, nach mehreren Stunden „sieben“ hatte ich meine fünf Favoriten gefunden. Die schrieb ich direkt an, und fragte, in welchem Abstand die Treffen stattfanden, ob sie selbst auch direkte Firmenkontakte hätten und ob ich persönlich vorbei kommen könnte.

Das war vielleicht übertrieben, aber den Jobbcoach bekommt man nur einmal und ich wollte auf Nummer sicher gehen. Drei Coaches antworteten mir, zwei luden mich ein, und nach einer schweren Entscheidung (beide Coaches waren fantastisch, und nach vier Stunden Abwägen warf ich eine Münze) hatte ich Grazyna gefunden, meine Coach für die nächsten drei Monate.

Handlingsplan

Beim ersten Treffen stellten wir einen Handlungsplan auf. Handlungspläne sind auch so was typisch Schwedisches. Wenn man sich irgendwo (egal wo, im Sprachkurs, beim Sport, ich warte darauf, dass ich beim Tanken nach einem Handlingsplan gefragt werde) anmeldet, wird im Vorfeld abgesprochen, welche Erwartungen und Ziele man erreichen möchte. Das hat mich immer sehr motiviert, weil es meine eigenen Ziele waren, und nicht welche, die mir von außen verordnet wurden. Und das machte meine Coach gleich klar: Sie würde mir helfen, aber die Ziele erreichen musste ich selbst.

Und helfen tat sie. Zunächst misteten wir meinen Lebenslauf und meine Bewerbungen aus, die viel zu lang und überladen waren, und brachten sie in ein optimales Schwedisch.Als nächstes gingen wir meinen Arbeitsplan durch, stellten Routinen auf, und halbierten die Zeit, die ich jeden Tag an den Bewerbungen verbrachte- bei besserer Qualität. Schließlich fanden wir gemeinsam weitere Quellen wo ich Jobmöglichkeiten ausmachen könnte. Dabei ging Grazyna sehr auf mein eigenes Tempo ein, als ich ein Vorstellungsgespräch hatte, trafen wir uns kurzfristig zu einem Sondertermin. Als ich nach Deutschland zu meiner Promotionsverteidigung musste, trafen wir uns drei Wochen nicht, damit ich Zeit für die Vorbereitung hatte. Kleinere Tipps bekam ich von Grazyna haufenweise, zum Beispiel den Rat, ein gutes Foto auf Facebook zu hinterlassen (Facebook war hier schon früher verbreitet, und fast jeder schaut drauf, und da man hier oft keine Fotos mitschickt, ist das die einzige Gelegenheit, dem Chef in Spe einen persönlichen Eindruck von sich zu verschaffen).

Endlich konnte ich strukturiert meine Jobsuche angehen, und daneben auch wieder andre Dinge tun, rausgehen, Leute treffen, und weil alles im Leben leichter ist, wenn man Freunde hat, wurde dadurch auch meine Jobsuche einfacher.

Die Einrichtung des Jobcoachs und seine Effektivität wird kritisiert, und es scheint eine Menge schwarze Schafe zu geben, wie zum Beispiel der Jobcoach einer Freundin, der sich exakt zweimal bei ihr meldete: einmal um sich den Handlungsplan unterschreiben zu lassen, und einmal, um seine Prämie abzugreifen, nachdem sie einen Job gefunden hatte. Für Einwanderer ist ein guter Coach unbezahlbar, weil man praktische Hilfe bekommt bei den ganzen Stolperfallen, die einem wegen der unterschiedlichen Mentalität und den unterschiedlichen Bewerbungsabläufen drohen. Ohne Grazyna hätte ich meinen jetzigen Job nicht gefunden. Und ich halte die Einrichtung des Coachs für eine der besten Einrichtungen der schwedischen Arbeitsförmedling -neben sauberen Toiletten.

 

Autor(in): Tina Skupin – tskupin32@gmail.com

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