Gnällbälte: Wo Jammern zum guten Ton gehört

Notorischer Nörgler – eine nicht gerade charmante Anrede… Und doch sind die Leute aus dem „Gnällbältet“ („Jammergürtel“) es gewohnt, dass man sie so bezeichnet. Selbst, wenn sie fröhlich und gutgelaunt sind: den Stempel „Jammerlappen“ haben nun mal sie weg. Und es liegt allein an ihrem Dialekt, der dem Rest von Schweden so „weinerlich“ in den Ohren klingt. „Gnällig“ eben…

Die Region, die ausschließlich durch ihren Dialekt als „gnällbälte“ definiert wird, liegt ungefähr zwischen Laxa, Örebro und Eskiltuna. Es ist keine wissenschaftliche Bezeichnung – und doch ist das Wort fest im Sprachgebrauch der Schweden verankert. Macht etwa der Motorradclub einen Ausflug in den „gnällbälte“, wissen alle gleich, wohin es geht. Bei einer Geschäftsreise in den Gnällbälte, kann man sich Kommentare seiner Kollegen sicher sein. Und nennt man einen kleinen Ort, den keiner kennt, ist der Zusatz „i gnällbältet“ ein sicheres Merkmal zur lokalen Orientierung.

Einer, der sich mit dem Phänomen auseinandergesetzt hat, ist Fredrik Lindström. Der Sprachwissenschaftler leitete im schwedischen Fernsehen die beliebte Sendung „svenska dialektmysterier“, die sich verschiedener Mundarten im Königreich widmete. Lindström untersuchte eingehend, wie die Leute im Gnällbälte eigentlich sprechen – und warum es so „gnällig“ klingt.

Ein typisches Sprechphänomen im Gnällbälte-Dialekt ist der Diphtong mit „e“: das heißt, viele Leute fügen einem Vokal ein leicht angehauchtes „e“ hinzu. Das klingt dann oft, als würden sie stöhnen, genervt sein oder unter großer Mühe sprechen. Wie etwa in „Örebroe“, „hejdåe“ oder „telefoen“.

Sprachliches Tauziehen um den "Jammergürtel". Foto: Sven Wrage, CC BY-ND 2.0

Wie kommt das? Laut Fredrik Lindström sind diese Diphtonge ein Überrest aus der Zeit, als Svealand und Götaland sich mitunter feindlich gegenüberstanden. Der Konflikt der beiden Regionen spiegelte sich auch in der Sprache wieder – denn der heutige Gnällbälte liegt an der Grenze zwischen den historischen Landschaften. Dabei hatte Svealand stets die Oberhand: Svea war somit Prestigesprache, Göta hingegen unerwünscht. Die eigentümliche Betonung der Vokale in der Grenzregion entstand laut Lindström also aus dem Willen heraus, wie „ein echter Svealänder“ zu klingen. Übertreibung inklusive. Bis heute haben weder Svea noch Göta als eigene Dialekte überlebt. Übrig geblieben ist nur der Gnällbälte – als heute eigenständige Mundart, die jeder kennt.

Autor(in): Katja Singer – katja-singer@gmx.de

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