Der Umschlag des Verderbens Foto: Tina
Egal ob man als Austauschstudent ein Semester in Uppsala verbringt, man drei Wochen Urlaub in Lappland macht oder man seine Zelte in Deutschland endgültig abbricht und auswandert, alle wollen wissen: wenn ich nachts wach werde, und mich vor Schmerzen krümme, wird mir dann geholfen? Dieses Thema ist für mich unangenehm, bringt Erinnerungen an vergangene Qualen, Schmerzen und Leiden. Also bringen wir den grausamsten Teil gleich hinter uns, und verschieben die leichteren Themen wie akute Notfallversorgung oder Operationen auf später. Die schwedische Gretchenfrage: sag wie hältst du´s mit der Krankenkasse?
Für Diejenigen, die in Urlaub kommen , oder von ihrer deutschen Firma nach Schweden geschickt werden, ist das ganz einfach: man bleibt über Deutschland versichert. Das gleiche gilt für Studenten, aber nur, wenn sie an der deutschen Uni eingeschrieben bleiben.
Wie glücklich war ich, als ich das erste Mal nach Stockholm kam, als Tourist nur einige Tage in Schweden und als Bürger eines EU-Landes hatte ich die blaue Versicherungskarte. Dann zog ich von Deutschland nach Schweden. In Schweden gibt es faktisch nur eine Krankenkasse, die staatliche Forsäkringskassan. Diese übernimmt nicht nur die Bezahlung für ärztliche Versorgung, sondern auch Kranken- Wohn- und Elterngeld. Sprich: an der Försäkringskassan kommt man nicht vorbei- leider.
Ich forschte auf deren Webseite nach Anmeldeformalitäten und fand Formulare für Elterngeld, Wohnzuschuss mit und ohne Kinder, Krankengeld, Unfälle mit Auto, Boot und Elch in verschiedensten Sprachen, neben schwedisch und englisch auch in spanisch, deutsch, arabisch und kirgisisch- aber keine Informationen zur Registrierung. Also schickte ich eine Mail und bekam den Link zum schwedischsprachigen Registrierungsformular 5456 zugeschickt.
Schweden sind von Geburt an registriert. Die einzigen, die dieses Formular nicht brauchen, sind Schweden!!! Also, warum zum Henker gibt es das Formular nur auf Schwedisch????
Dasselbe ist mir bei anderen Webseiten, wie Skatteverket (Steuern), Migrkationsverket (Einwanderungsbehörde) und SFI aufgefallen: stets gab es die relevanten Infos nur auf schwedisch. SFI ist ein Sprachkurs extra und ausschließlich für Einwanderer. Aber man muss schwedisch verstehen, um sich für den Kurs anmelden zu können, weil man ansonsten die Informationen auf der Webseite nicht versteht??? Wie verrückt ist das??? Vielleicht ist das ein dezenter Wink (du willst hier leben? Dann lern schwedisch). Vielleicht ist es auch einfach nur Bürokratie – und Bürokratie muss keinen Sinn ergeben.
Aber ich lenke ab. In Formular 5456 stand sinngemäß:
füllen Sie das Formular sorgfältig mit einem grünfarbigen Stift aus. Schreiben Sie nicht über den Rand. Legen Sie folgende Dokumente in 4 Kopien bei:
- Geburtsurkunde
- Bescheid über Personennummer (Formular 582983576)
- Bestätigung des Aufenthaltsrechts (Formular 138528375)
- Mondhoroskop des Tags der ersten Ankunft in Schweden (Formular 2857z7823)
- Arbeitsvertrag beim schwedischen Arbeitgeber oder
- Beweis für ausreichende Mittel, sich selbst versorgen zu können.
Packen Sie die Unterlagen in den mitgeschickten Umschlag. Werfen Sie den Umschlag über die linke Schulter. Unvollständige Anträge oder Werfen über die rechte Schulter werden mit Gefängnis nicht unter drei Jahren, Exkommunikation und Fegefeuer bestraft.
Ich füllte das Formular aus, schickte alles ab, und hoffte, dass alles gut würde. Ging es natürlich nicht! Es dauerte Monate, bis meine Registrierung durch war. Jedes Mal wurde ich vertröstet und auf den nächsten Sachbearbeiter verwiesen. Vielleicht wäre es schneller gegangen, wenn ich noch hartnäckiger gewesen wäre, öfters angerufen und nachgefragt. Aber ganz ehrlich: ich hatte Angst. Die Försäkringskassan hat keine Konkurrenz, wenn du von denen abgelehnt wirst, hast du keine Alternative. Und: obwohl ich nicht registriert war, konnte ich problemlos zum Arzt gehen.
Niemand konnte mir so recht erklären, wie das System Försäkringskassan im Einzelnen funktioniert. Wenn ihr ins Forum schaut, bekommt ihr tausend verschiedene Geschichten, die sich alle irgendwie unterscheiden. Folgendes habe ich mir zusammen gereimt:
Das Problem war, dass ich zu der Zeit noch an meiner Doktorarbeit schrieb und keinen Arbeitsvertrag hatte. Für solche Fälle gibt es zwar in der Registrierung den Passus „genug Mittel, um sich selbst versorgen zu können“. Es ist aber nirgends definiert, wie viel diese „genug Mittel“ sind. Die Försäkringskassan-Lösung ist: Man verschleppt die Registrierung so lange, bis sich das Problem von selbst gelöst hat, entweder, dass der Antragsteller in seine Heimat zurück gekehrt ist, Arbeit gefunden oder einen Schweden geheiratet hat (kein Scherz, eine Freundin von mir hat das tatsächlich so gemacht). Damit sich niemand beschwert und Aufklärung verlangt, werden Behandlungs- und Arztkosten von der Försäkringskassan getragen- auch darauf hast du aber eigentlich keinen Anspruch (oder besser gesagt: ich habe ihn nicht finden können. Wahrscheinlich versteckt der sich irgendwo hinter Formular 5456). Kurz gesagt: niemand fragt nach, nichts ist geklärt, aber alles funktioniert – außer, wenn man in Urlaub fährt. Ich habe zwar gehört, auch in dem Fall könnte man Arztrechnungen im Ausland sammeln und bei der Kassan einreichen, aber so mutig war ich dann auch nicht, und hab mich für die Tage privat bei einer Kasse in Deutschland versichert.
Meine Odyssee mit der Försäkringskassan ist am Ende dann noch gut ausgegangen: nachdem ich meinen Arbeitsvertrag unterschrieben hab, hab ich noch mal rückgefragt, nebenbei erwähnt, dass ich jetzt arbeite, und zwei Wochen später war ich registriert!
=> Försäkrinkskassan – Offizielle Seite
Autorin: Tina Skupin – tskupin32@gmail.com
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