Gefährliche Wesen an Schwedens Hauptroute E4

Gefaehrliche-Wesen

Fährst du in Schweden von Süden nach Norden, durchquerst du möglicherweise Småland auf der Autobahn E4. Hättest du aber gedacht, dass diese durch eine sehr gefährliche Gegend führt? Man bemerkt vielleicht die dunklen Wälder, und durch Elchpark-Reklamen angeregt, späht man hinein, um einen Blick auf einen Elch zu erhaschen. Doch es soll dort noch ganz andere Wesen geben, viel gefährlichere als die scheuen Elche. Pflückt man ahnungslos Beeren, kann es sein, dass plötzlich eine Glotzsau mit messerscharfen Sägeblättern auf dem Rücken und schrecklich leuchtendroten Augen auftaucht. Ihr einziges Ziel wird es sein, dir zwischen die Beine zu fahren und dich zu halbieren. Überkreuze dann blitzschnell die Beine, das ist der gute Rat der Einheimischen. Ebenso ist es empfehlenswert, am Straßenrand links zu gehen, denn die Glotzsau rast immer rechts durch.

Doch es lauern noch ganz andere Ungeheuer in den Wäldern von „mörka Småland“, dem dunklen Småland. Auf die treuen Ehemänner wartet beispielsweise die Waldfrau. Sie sieht von hinten aus wie ein Baumstamm, doch erblickt ein Mann sie von vorne, muss er ihrem Zauber erliegen. Die Frauen und Kinder hingegen werden von Nöcks ins Wasser gelockt, wo sie ertrinken oder nie mehr gesehen – oder aber geschwängert – werden. Die Begegnung mit Trollen könnte unter Umständen friedlich verlaufen, aber häufig endet doch der Mensch als Gefangener im Trollberg, einem Schloss im Innern des Felsens, das nur zu Weihnachten in seiner ganzen Pracht sichtbar wird. Auch sonst gilt es, vorsichtig zu sein, denn die Riesen werden dermaßen wütend auf Glockenklänge, dass sie Kirchtürme mit Felsblöcken bewerfen. Und übrigens, es ist erst fünfzig Jahre her, dass ein Zeuge in Småland den letzten Lindwurm gesehen hat. Es ist eine grässliche lange Schlange mit Mähne und scharfen Zähnen, die es nur in Südschweden gibt.

Falls du jetzt genug Mut hast, in dieser wilden Gegend die Autobahn zu verlassen, um mehr über diese Wesen herauszufinden, besuche das Märchenmuseum in Ljungby. Dort kannst du dich mit Märchenkarte, GPS-Gerät oder App ausstatten, um die Suche nach den schauerlichen Kreaturen und den dazugehörigen Sagenorten aufzunehmen. Die Sagenplätze liegen inmitten idyllischer Natur, lauschigen Dörfchen oder an verborgenen Seeufern. Gut markiert sind sie einfach zu finden, wenn auch manchmal sehr abgelegen. Ein schöner Holzkasten gibt Auskunft, was sich dort zugetragen haben soll. Alle Märchen und Sagen sind auch auf Deutsch übersetzt und mittels Telefon oder App kann man sich die Sage sogar erzählen lassen.

Auf einer geografisch vergleichsweise kleinen Fläche, in den Gemeinden Ljungby, Älmhult und Alvesta, lebten nämlich einige der bedeutendsten Märchenerzähler und –aufzeichner Schwedens. Die Leute hier waren früher sehr arm, sie waren jahrhundertelang auf sich allein gestellt, weil ihr Gebiet Schwedens grosses Bollwerk aus Wald und Wasser gegen die Dänen war und seine Entwicklung nicht gefördert wurde. So erklärten sich die Bewohner die Welt auf ihre eigene Weise und tauschten unzählige Geschichten und Märchen beim Schein der Kaminfeuer aus. Zur Zeit der Brüder Grimm wurde einem reichen Gutsherrn aus der Gegend, Gunnar Olof Hyltén-Cavallius, bewusst, welch reiches Sagen- und Märchengut hier vorhanden war. Er begann es zu sammeln und gab die erste schwedische Märchensammlung „Svenska folksagor och äfventyr“ mit heraus. Heute pflegt das Märchenmuseum in Ljungby sein wertvolles Erbe.

Wenn du größere Kinder im Auto dabei hast, ist die Märchenschatzsuche mittels Geocaching ein garantierter Spaß. Das Museum verleiht hierzu extra GPS-Geräte. Aber, wie gesagt, sehe dich vor, überkreuze sofort die Beine, falls sich die Glotzsau nähert, und lass dich beim Baden ja nicht vom Nöck ins tiefe Wasser ziehen. Schließlich willst du unversehrt auf die E4 zurück gelangen und deine Fahrt gen Norden fortsetzen können.

Autorin: Andrea Hofman, Märchenerzählerin aus Düdingen, Schweiz

 

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