Ein Sieger verliert: Ereignisse vor und nach der Schlacht von Fehrbellin

Ziemlich exakt vier Jahre nach der denkwürdigen siegreichen Schlacht von Fehrbellin muss sich Friedrich Wilhelm, Kurfürst von Brandenburg, äußerst schlecht gefühlt haben. Es ist nachvollziehbar, dass in jenen Tagen des Juni 1679 die Order erging, man präge eine Münze für den alsbaldigen Umlauf.  Den Rand ziere ein  Schriftzug:  „Möge aus meinen Gebeinen ein Rächer erstehen“.

Umstritten wird es immer bleiben, bis in welche Tiefe man sich in die Gedankengänge historisch Agierender hineinversetzen kann, doch ein Blick auf die Ereignisse in Kombination auf schriftliche Hinterlassenschaften, geben ein Aufschluss, wie schwer wütend und tief enttäuscht Friedrich Wilhelm damals gewesen sein muss.
Kunstvoll und weitschauend hatte er mehr als zwei Jahrzehnte an einem Plan getüftelt:  irgendwie musste und wollte er die Schweden, denen im Artikel X der Osnabrücker Friedensverträge, Vorpommern zugesprochen worden war, als Nachbarn loswerden. Heiratsdiplomatie hatte keinen Erfolg gebracht; ein Angriff aus heiterem Himmel schied aus. Die Legende schreibt dem Kurfürsten die Worte zu: „Niemand, der kennt meinen Sinn, ob ich Fuchs oder Hase bin.“ In der Rolle eines Überfallenen, eines arglistig Angegriffenen beabsichtigte Friedrich Wilhelm, gegen die Schweden um Vorpommern kämpfen zu wollen. Freilich mussten die Nordländer, die keineswegs kriegslustig in dieser Zeit waren, irgendwie herausgefordert und provoziert werden.
Entgegen allen wohlgemeinten Ratschlägen und nach einsam getroffenem Entschluss – so wie es sich fuer einem Herrscher mit absolutistischem Selbstverständnis gehört – trat Friedrich Wilhelm Anfang Mai 1672 einer niederländischen Allianz bei, die sich gegen Frankreichs aggressive Aussenpoltik richtete. Dieser Schritt war wohl uberlegt und kuehn, er wurde getan in ganz genauer Kenntnis der Vorgänge in Stockholm. Der dahin Gesandte aus Brandenburg berichtete, Schweden werde sich aus finanziellen Ueberlegungen heraus, den Kriegsunernehmungen Ludwig XIV. anschliessen. Damit war zumindest die gewollte Gefahr eines schwedischen Angriffs konstruiert – allerdings funktionierte diese Provokation noch nicht.

Das brandenburgische Heer kam über marschtaktische Manöver gegen Frankreich nicht hinaus; es bezog Stellung, belauerte die von General Turenne befehligten Franzosen, kämpfe aber nicht. Umso emsiger trieben die geheimen Unterhändler ihr Werk und erreichten doch tatsächlich am 16.06.1673 in Vossem einen Waffenstillstandsvertrag. Zeitgewinn wurde als Devise ausgegeben, Zeit, die genutzt wurde, um das Heer weiter aufzustocken und insgesamt schlagkräftiger zu machen. Zeitparallel muehten sich die Stockholmer Diplomaten, den Krieg zu beenden, sie vermittelten zwischen den Rivalisierenden und boten dem brandenburgischem Kurfuersten sogar ein aktives Buendnis – sozusagen als neutralisierende Kraft – an. Als dies Mitte Dezember 1673 den Schweden in Gestalt eines bilateralen Nichtangriffspaktes gelang, hatte Friedrich Wilhelm jene Karte nunmehr in der Hand, die er ein Jahr später auszuspielen und zu verwerten gedachte.

Weder Frankreich noch seinen Gegnern war an einer brandenburgischen Neutralität gelegen, folglich bemuehte man sich um die neue aufstrebende Macht in der Mitte des Reiches. Wie es den Niederländer gelang, Brandenburg wiederum auf ihre Seite zu ziehen, ist nicht ganz klar. Finanzielles spielte eine geringere Rolle als 1672, wichtiger scheint eher ein Passus im Vertrag zu sein, der festschrieb, sollte Brandenburg beim Erfuellen seiner Buendnisverpflichtungen angegriffen werden, wuerden ihm antifranzösische Koalitionäre militärischer Beistand geben. Es kam 1674 zum Feldzug ohne Schlacht und – von Frankreich gedrängt – Schweden setzte Truppen aus dem Mutterland auf vorpommerschen Boden ab. Jetzt war es angesichts des bevorstehenden Winters nur noch eine Frage der Zeit, bis die Schweden die kurbrandenburgischen Lande angriffen. Taktisch geschickt zahlte Frankreich die Subsidien schleppend, Schweden musste reagieren und marschierte zu Weihnachten ueber die Grenze auf kurmärkisches Territorium.

Genau diese Situation war beabsichtigt und provokant-planvoll herbei gefuehrt worden – jetzt sollten die Waffen sprechen und den uralten Erbanspruch besiegeln. Um einen Zweifrontenkrieg zu vermeiden, entschied sich Friedrich Wilhelm jedoch nicht fuer einen sofortigen Gegenangriff. Erst nach der Winterruhe, erst nach dem Evakuieren seiner Kinder aus der Berliner Residenz und erst nach Erreichen dänischer und niederländischer Unterstuetzung setzte der Kurfuerst seine Truppen konzentriert in Marsch – den Schweden entgegen.

Der schnelle und unerwartete Sieg bei Fehrbellin 1675 wurde zunächst als Zufall bewertet. In der Folgezeit jedoch zogen sich die Schweden in die befestigten Städte Vorpommerns zurueck, mussten sich  aber Stadt fuer Stadt der brandenburgischen Belagerungskunst beugen. Strategisch klug wurde zunächst die Linie entlang der Peene erobert; dieserart gekeilt kapitulierte 1677 Stettin, ein Jahr später bedurfte es nur einiger Kanonenkugeln, um Stralsund – die Stadt, die Wallenstein nie bezwingen konnte – und Greifswald zur Aufgabe zu veranlassen. Militärisch war Vorpommern Mitte 1679 den Schweden entrissen, reichsrechtlich versagte der Kaiser jedoch die Belehnung oder andere Unterstuertzung. Friedrich Wilhelm errang einen Sieg ohne Folgen. Das brandenburgische Heer war zu Eroberungen in der Lage, zum Verteidigen ohne fremde Hilfe war es noch zu schwach. Diplomatisch im Stich gelassen von allen einstigen Verbündeten änderten die Siege ueber die Schweden in den Jahren 1675 bis 1679 nichts: Vorpommern blieb schwedisch. Erst die Nachfolger des Grossen Kurfuersten, wie er hier und da genannt wird, schufen jene Veränderungen, die schliesslich Brandenburg-Preussen als Grossmacht im Konzert der europäischen Mächte mitzuspielen gestattete.

Autor(in): Peter – drpeterkiehmbeck@hotmail.se

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