Alle heißen „Glenn“ in Göteborg

Der bedeutungsvolle Name zieht auch im Marketing, hier etwa für eine Sportbar… Foto: Katja Singer

Über komische Namen macht man keine Witze. Es ist schlechter Stil, wenn etwa der Zeitungsreporter kreativ sein will und dabei einen Namen verballhornt: „Hirschhausen hat ausgebrunft“! So etwas geht zum Beispiel gar nicht.

In Göteborg, der Stadt der Kalauer und Wortwitze, ist nichts heilig. Schon gar nicht Namen. Einer hat es so zu zweifelhaftem Ruhm gebracht – und das ist „Glenn“. Denn: „Alla heter Glenn i Göteborg“. Und das weiß inzwischen jeder Schwede.

Es ist landauf, landab ein stehender Begriff, dass „in Göteborg alle Glenn heißen“. Eine „dumme Behauptung“, eine Verallgemeinerung, strenggenommen. Etwa genauso (politisch) unkorrekt wie:  „In Ostdeutschland heißen alle Mandy oder Steve“. Und doch ist da ‚was Wahres dran, denn man hört diesen Satz im TV und auf der Straße und dort, wo er ursprünglich entstanden ist: nämlich im Stadion.

„Alla heter Glenn i Göteborg“ ist ein Schlachtruf aus dem Fußballsport, der sich zum landläufigen Sprichwort gemausert hat. Zunächst war es eine Verhöhnung, eine klare Veralberung dieses alt-keltischen Namens, der eher in England als in Schweden anzutreffen ist. Unter den Glanzjahren des IFK Göteborg – als der Verein sagenhafte Erfolge bis hin zum UEFA-Cup-Sieg feierte (1982: 3:0 gegen den HSV) – hatte der Club vier Spieler mit Namen „Glenn“ unter Vertrag! Glenn Hysén, Glenn Strömberg, Glenn Schiller och Glenn Holm sind noch heute angesehene Fußball-Veteranen und betätigen sich mitunter als TV-Kommentatoren.

… als Stofftasche, Foto: „Blåvitt shopen“, http://shop.ifkgoteborg.se/

In ihrer aktiven Zeit standen zumeist alle vier Glenns gleichzeitig auf dem Plan und wurden mit dem IFK zum Schrecken der Allsvenskan, der schwedischen ersten Fußball-Liga. Und da die gegnerischen Fans nichts Besseres vorzubringen hatten, provozierten sie den IFK mit der Veräppelung des Namens Glenn: „Alla heter Glenn i Göteborg“. Zu ihrem Entsetzen drehten die Göteborger IFK’ler den Spieß jedoch um – und legten einen gewissen Stolz über das lokale „Glenn-Phänomen“ an den Tag. Und es ist statistisch erwiesen, dass in den Jahren nach den großen IFK-Erfolgen viele Göteborger Babys Glenn getauft wurden. Was man davon auch halten mag. Bis heute gilt der Schlachtruf im Stadion, und zwar immer,wenn IFK gewinnt.

Die Häufung des Namens Glenn tauchte aber nicht erst 80er Jahren auf. Das Phänomen wurde mit einer gewissen Offenheit Göteborgs zum westlichen Europa erklärt – traditionell siedelten viele Schotten, Engländer und Holländer in der westschwedischen Stadt. Die guten Beziehungen zu den brititschen Inseln und zahlreiche kulturelle Einflüsse haben Göteborg denn auch den Beinamen „lilla London“, kleines London, eingebracht.

Heute, so hört man unter jüngeren Leuten, würde wohl niemand mehr seinen Sohn „Glenn“ taufen. Der Name ist zur Zeit so „out“ wie der IFK, der 2011 eine mäßige Saison gespielt hat und auf der Tabelle noch hinter den beiden anderen Göteborger Clubs liegt. Als Marketing-Gag taugt Glenn aber noch allemal: So gibt es von der lokalen Ocean-Brauerei ein Bier mit Namen „Glenn No.5″, sowie eine neu eröffnete Sport-Bar „Glenn“ in der Andra långgatan.

…als Biermarke. Foto: Oceanbryggeriet

Schaut man ins Telefonbuch findet man rund 500 Glenns in Göteborg, 300 in Stockholm und nicht mal 100 in Malmö. Und das sagt uns immerhin: es heißen zwar nicht alle Glenn in Göteborg, aber ein Glenn kommt meistens von der schwedischen Westküste.

Autorin: Katja Singer – katja-singer@gmx.de

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